Vorwort

von Thomas Schäffer

Das Internet als Megatrend des frühen 21. Jahrhunderts ist mittlerweile zu einer Basisinfrastruktur avanciert. Es formieren sich wachsende und vielfältige virtuelle (Interessens-) Gemeinschaften zu und in sozialen Netzwerken. Die Internetinfrastruktur ermöglicht bzw. erleichtert jenseits von materiellen und logistischen Barrieren jedem die Bereitstellung und Verbreitung von Inhalten sowie den Zugang zu Waren und Gütern.  Diese Virtualisierung der kommunikativen und ökonomischen Austauschprozesse verändert nicht nur Handeln und Handel, sie verändert vor allem auch Einstellungen und Denken. Das Paradigma des ausgehenden 20. Jahrhunderts vom Besitz wandelt sich in das Postulat der uneingeschränkten Verfügbarkeit. Statt Linearität wird zunehmend die Fähigkeit zum Multitasking gefordert. Die Beziehung zu Raum, Ort, Zeit, zu sich, anderen und den Dingen rückt in einen neuen Fokus. Der Stream und die Cloud sind die prägenden Metaphern für die aktuelle und zukünftige digitale Medien- und Lebensrealität.

Was hat das mit dem Erzählen als traditionell der Übermittlung von Erfahrungen  in Form von Geschichten zu tun? Aus meiner Sicht extrem viel: Das Erzählen wird in der digitalen Medienwelt zunehmend von den Erzählenden physisch entkoppelt und in einen virtuellen Raum ausgelagert. Die Vermittlung und Rezeption vorgegebener Inhalte, die Schöpfung neuen Contents über die Interaktion mit realen aber virtualisierten Netzwerkpartnern oder die Bereitstellung von Information generierenden Mustern über die Künstliche Intelligenz  vorprogrammierter Maschinen funktioniert anders als bei der tradierten Form der Weitergabe und des Empfangens von Inhalten. Dabei unterliegen nicht nur die Inhalte, sondern auch deren Kontextualisierung einem sich stetig vollziehenden Wandel. In der multidirektionalen Medienwelt entstehen so neue, vielfältige und komplexe Anforderungen an zu erzählende Geschichten und hier ganz wesentlich an deren jeweilige Dramaturgie.

Geschichten werden dabei nicht nur einfach erzählt – ihre Kreation, ihre Materialisierung, ihre Verbreitung und ihre Rezeption finden in unterschiedlichen Segmenten der Kultur- und Kreativwirtschaft statt und stellen neben dem ausgewiesenen kulturellen zudem einen erheblichen wirtschaftlichen Faktor dar. Auch für die Film- und Medienförderung sind die beschriebenen technologisch getriebenen Entwicklungen von außerordentlicher Bedeutung, haben sie doch ganz entscheidenden Einfluss auf die zu fördernden Objekte und die daraus abgeleiteten standortpolitischen Effekte.

Insofern ist die vorliegende Arbeit von Dennis Eick nicht nur für die Branchenakteure selbst, sondern auch für uns als engagierte Förderung von großer Relevanz. Digitales Erzählen wird hier sehr umfassend analysiert und beschrieben. Und das sowohl in der aktuell gegebenen thematischen Breite vom Viral-Spot über Webserien, Games und E-Books bis zu transmedialem Storytelling als auch in der gebotenen inhaltlich-strukturellen Tiefe. Das Buch ist dabei eine sehr aktuelle und längst überfällige Situationsanalyse. Es ist zu begrüßen, dass das Thema nicht kulturpessimistisch, sondern radikal chancenorientiert bearbeitet wird. So bietet Dennis Eick für Medienmacher und Kulturunternehmer nicht nur wertvolle Orientierung, sondern vor allem auch praktisch verwertbare Inspiration.

Thomas Schäffer ist Geschäftsführer der nordmedia – Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH

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